Dreihundertfünfundsechzig und ein Text
Montag, 20. Juli 2015
Zweihunderteins (Lichtung)

In der frischen Rodung (die Schnitte
noch feucht, noch roh) gekrümmt
das Licht, von Innen blind
wie ein Wurm.
Stümpfe, vorzeitig geendete Blicke,
und der alte Stein,
jetzt liegt er plötzlich

in der Sonne, verkleistert von getöteten Schatten,
schwer zu bewegen und unförmig
wie etwas, das man aus einem tiefen
See gefischt hat.
Das Moos begräbt seine Farbe unter sich
wie trockengefallene Muscheln.
Die Bäume, blank bis unters
Geschlecht, atmen Wachs
durch Schnitte.
Auf einem alten Grenzstein erwacht
im Mittag die Schrift unter Flechtenbrauen.

Ein Rasen von Fliegen, die nicht wissen,
wohin, vernäht mit blitzenden
Fäden die Schreie der Stille.
Und die blanken Scheiben leuchten wie
Opferschalen, auf denen das Licht
geschlachtet wird.

Wundflächen der Sonne, wo das Grün
aus den Schatten blutet. Die Wipfel
über der Schändung krumm, wie im Schmerz
zurückgelegte Häupter, Verdrehte
Blicke, eine Strähne aus Laub
über blutigen Stirnen.

Und langsam heben sich die Vögel
über den Saum der Welt wie die stummen
Seelen von Märtyrern.

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Last modified: 06.02.20, 10:44
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Kommentare
Über Straßenbahnfahrten schreiben kann
auch nicht jeder ... (Das heißt. Könnte auch Bus sein.)
Lakritze, vor 9 Jahren
;)
wilhelm peter, vor 9 Jahren
April, April.
Lakritze, vor 9 Jahren
wer weiss
erkennt kalendarische kontexte
wilhelm peter, vor 9 Jahren
Ah, stimmt. Da war
noch eins.
Solminore, vor 9 Jahren
Oh, mehr Baugrubenverse! Schön,
Ihre Distichen.
Lakritze, vor 9 Jahren
grosse gefühle tief gegründet Aus
dem stillen Raume Aus der Erde Grund Hebt sicht wie...
wilhelm peter, vor 9 Jahren
Lesezeichen. Baugrubenlyrik kannte
ich nicht. Mag ich.
Lakritze, vor 9 Jahren
das ist sehr sehr
schön.
don papp, vor 10 Jahren

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