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   Hunderfünfundvierzig (Ovidische Verse)
 
Und jeden Abend noch ein paar Zeilen 
Ovid. 
Blöcke einer uralten Sprache, 
unverrückbare Monumente, geschliffen, 
unverwitterte Erinnerungen verwitterter 
Stirnen und so frisch, daß sie bei jedem Lesen 
neu funkelnd wie eben erst erinnert 
einer ganz jungen Stirn. 
Sätze, so streng gebaut, daß man sie 
vorwärts wie rückwärts lesen kann, 
jedes Wort sein eigenes Juwel im 
dunklen Samt des Textes. Wörter 
wie Wächter eines Geheimnisses, 
das auf sich zeigt, aber 
sich nie ganz enthüllt. Manchmal 
ein dunkler Sinn, ein Schimmern von Messing 
und Gold, marmorne Augen, die Tiefe 
eines Raums hinter blinden Scheiben. 
Zuweilen ein einzelnes Verb, 
das über den Abgrund 
von zweitausend Jahren ruft, eine 
Stimme aus dem Nichts, an jemanden 
gerichtet, der mir über die Schulter 
schaut, ein Wesen, das der Text 
behauptet aber nicht beweisen kann. 
Die Folge von Wörtern, eins 
das andere führend und geführt 
vom nächsten, ein Kaleidoskop, 
Spiegel in Spiegel gestellt, eine 
unendliche Reihe von Gestalten und Jahren. 
Ich lese, und der Text schaut an mir vorbei, vielleicht 
in eine Zukunft, so tief, wie die Vergangenheit 
der Wörter und unauslotbar, von dort 
sich zu finden als eine ebenbürtige 
Vergangenheit? 
Der Text braucht mich nicht. Er 
schaut mich an wie eine scheue 
Nebengottheit, sich selbst genug, die Augen 
fest verwurzelt am Grund der Jahrhunderte.  
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   (0 Kommentare)
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    Online for 3956 days 
   Last modified: 06.02.20, 10:44 
   
   
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   Über Straßenbahnfahrten schreiben kann
auch nicht jeder ... (Das heißt. Könnte auch Bus sein.)
    
      Lakritze, vor 10 Jahren
    
 
   ;)
   
      wilhelm peter, vor 10 Jahren
    
 
   April, April.
   
      Lakritze, vor 10 Jahren
    
 
   wer
weiss
erkennt
kalendarische
kontexte
    
      wilhelm peter, vor 10 Jahren
    
 
   Ah, stimmt. Da war
noch eins.
    
      Solminore, vor 10 Jahren
    
 
   Oh, mehr Baugrubenverse! Schön,
Ihre Distichen.
    
      Lakritze, vor 10 Jahren
    
 
   grosse gefühle tief gegründet Aus
dem stillen Raume
Aus der Erde Grund
Hebt sicht wie...
    
      wilhelm peter, vor 10 Jahren
    
 
   Lesezeichen.
Baugrubenlyrik kannte
ich nicht. Mag ich.
    
      Lakritze, vor 10 Jahren
    
 
   das ist sehr sehr
schön.
    
      don papp, vor 11 Jahren
    
 
 
   
    
   
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