Dreihundertfünfundsechzig und ein Text
Sonntag, 5. Juli 2015
Hundertsechsundachtzig (Gewitter)

Einsame Donnersilben markieren das Grenzland der Vögel.
     Nur eine Krähe entfernt, stürzen die Hügel ins Blau.

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Samstag, 4. Juli 2015
Hundertfünfundachtzig (Sommersprossen)

Die Steine saugen
den Schatten auf
bis zum leuchtenden
Staub am Grund

Das Licht so spröde
splittert am
Libellenflügel

Hinter der brennenden
Iris eine Fata
Morgana aus Messern.

Wo in Kiefernzapfen
der Hitze Schößlinge
keimen

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Freitag, 3. Juli 2015
Hundertvierundachtzig (Kornfeld)

Die Stirn ein Ziegel
Schatten verdunsten wie Wein
Besoffenes Licht

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Donnerstag, 2. Juli 2015
Hundertdreiundachtzig (Nach dem Meer)

Kristallflut, ferne
Brandung von
Autos.
Jetzt kreischen wieder
die Mauersegler
und die Fenster, auf
Durchzug, sind
ganz Ohr.

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Mittwoch, 1. Juli 2015
Hundertzweiundachtzig (Ankommen, wo)

Ankommen, wo die Sonne
nur ein Häusereck entfernt ist.

Wo Uhren schlafen im Dämmer
von Häusern wie Hunde in der dunkelsten
Ecke des Zwingers.

Die Straße zu klein für Flugzeugspuren.
Der Himmel wohnt im schmalen
Bogen der blitzenden Traufe.

Wo die Schatten nach Hause ziehen
und die Luft sich in einem
Flügelschlag erfindet.

Einen Namen aus der Luft fangen,
und die Schlüssel aus dem Mittag holen, wo die
Steine ihn gehütet haben.

Wie eine Schar tobender Kinder
bleibt das Licht draußen, indessen

in der Küche Schweiß und
Asche wächst zur Erzählung von
Schemel und Krug.

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Dienstag, 30. Juni 2015
Hunderteinundachtzig (Segelsprossen, Sandränder, Tiefen)

Als hätte das Meer sie
ausgespien
der Schwarm Vögel
von nirgendwoher
irrendes Flattern
wie das Blinzeln von
Wimpern, wenn scharfe
Inselränder sie blenden

Das Meer mit Flügeln gefaltet
zum Ufer hin Spiegelungen
lugen aus den
Spalten des Grunds Segel

überall wie Sprossen
bleicher Halme aus der
See manchmal
erhebt sich
eine Welle zum Flug
in die Luft

Damit sie keinen verschlingt
balanciert das Meer die
Tiefe auf einem
Finger aus Salz

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Montag, 29. Juni 2015
Hundertachtzig (Silva marina)

An schwarzem Anker
zerrt der Wald mit
Kieferfäusten

Die Krähe Nacht steckt mir
einen Schnitz
Himmel zu und der Mond
fällt
ohne Laut von der
singenden Rah

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Sonntag, 28. Juni 2015
Hundertneunundsiebzig (Niederland)

Als könnte man aus
den leuchtenden Wiesen
auf Treppen dort hinauf:

Die Strommasten eine geduldige
Stütze dem Wasser, das oben
wie auf Brücken Rampen
steht, die Schiffchen
Kähne Boote Enten über doppelten
Schichten Lichts schwimmend, vorsichtig,
sie könnten sonst so leicht herab
fallen aus der schimmernden
Höhe.

Weit weg, losgelöst
von Linien und Kühen,
verschwinden die
Bäume hinter ihrem
eigenen Ufer.

Eine Mühle, still wie
eine Yogaübung, hängt
sich am Himmel

fest. Der Himmel
wartet
auf Wind.

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Samstag, 27. Juni 2015
Hundertachtundsiebzig (Reisende, Breslauer Platz)

So stehen sie da, hilflos, schon weggegangen und noch nirgends angekommen, nicht hier noch da, schwojend, an ihrem Rollköfferchen vor Anker. Blinzelnd schauen sie in die frierende Luft des Busbahnhofs. Die ganze Heimat verstaut im Gepäck: vertraute Alleen, der Park ums Eck mit den knorrigen Bäumen, der Spiegel im Bad, der Himmel über der Stadt, die Schatten im Treppenhaus, der Klang der Tasse, die Farbe der Uhrzeiten. Jetzt, im Schatten einer fremden Kathedrale, eilen sie von Bussteig zu Bussteig, ein hastig gekauftes Croissant in die Jackentasche gestopft, eine Zeitung unterm Arm, und im Haar noch den Duft der Seife vom morgendlichen Duschen. Dieser Morgen ist schon fern und treu wie ein allein gelassener Hund.
Jetzt eilen sie, suchen die Fremde auf wie einen Schutz, der sie befreit von sich selbst, von der Last, sie selbst und schon alles zu sein, was man ist, die ganze Geschichte, erschöpft und zurückgeschlossen in das Zimmer der eigenen Mütze, des Hemds, der müden Haut. Abends im Hotelzimmer werden die Kleider aus dem Rollkoffer ein bißchen traurig nach dem eigenen Schrank riechen, wie eines Tages das Haar der fremdgehenden Ehefrau; Duft nach einem Zuhause, das so fern ist wie eine Geschichte aus Büchern, kaum vorstellbar und wieder vergessen, sobald man nur kurz aus dem Busfenster sieht. (Wahnsinnig vor Stille rast eine Fliege auf der Suche nach einem Menschen durch die verlassenen Räume.)
Später werden sie im Hotelzimmer auf die mitgebrachten Schätze starren wie auf Pflanzen, die während der Reise vertrocknet sind: das zerdrückte Croissant, den Kaffeefleck auf der Zeitung, den Pappbecher aus Köln oder München oder Bielefeld, Orte, von denen dieser Becher als einzige Hinterlassenschaft noch übrig ist, den Archäologen ein Rätsel: Fremder als jedes Mitbringsel aus der Fremde es sein wird.

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Kommentare
Über Straßenbahnfahrten schreiben kann
auch nicht jeder ... (Das heißt. Könnte auch Bus sein.)
Lakritze, vor 9 Jahren
;)
wilhelm peter, vor 9 Jahren
April, April.
Lakritze, vor 9 Jahren
wer weiss
erkennt kalendarische kontexte
wilhelm peter, vor 9 Jahren
Ah, stimmt. Da war
noch eins.
Solminore, vor 9 Jahren
Oh, mehr Baugrubenverse! Schön,
Ihre Distichen.
Lakritze, vor 9 Jahren
grosse gefühle tief gegründet Aus
dem stillen Raume Aus der Erde Grund Hebt sicht wie...
wilhelm peter, vor 9 Jahren
Lesezeichen. Baugrubenlyrik kannte
ich nicht. Mag ich.
Lakritze, vor 9 Jahren
das ist sehr sehr
schön.
don papp, vor 10 Jahren

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