Dreihundertfünfundsechzig und ein Text
Dienstag, 17. November 2015
Dreihunderteinundzwanzig (Winterabend)

Und meinen Mündern fehlen wieder Kirschen
und aus den Augen rutscht wie Ruß der Samt.
Wo Schatten sich ins späte Licht gebrannt,
hört man den Weg wie in Gelenken knirschen.
Die Pfade liegen schlaff wie abgespannt.

Aus allen Abendlungen strömt der Sand.
Ich strecke Hände, finde keine Wand
und seh die Wasserfackeln trüglich pirschen.
Auch wenn das Holz sich streckt, reicht's nicht zu Hirschen.

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Montag, 16. November 2015
Dreihundertzwanzig (Nachtwanderung)

Ein Weg krümmt sich
in sich selbst zurück, geblendet
vom Lampenlicht, ertappt
wie ein geflohener Sträfling.
Springt zurück ins Dunkel, wo
vielleicht Verstärkung zu holen wäre.

Die Weiden wackeln, als rüttle
ein riesiges Tier an den Wurzeln.

Etwas Ungeheuerliches geht
vielleicht vor sich. Ein schweigender
Umbau im Schutze der Finsternis.
Lautlos gleitet ein Hügel vor die Sterne.

Plötzliches Schweigen, als lausche
die Nacht, ob jemand wach geworden ist.
Ein Summen nimmt langsam zu, man weiß
nicht, woher. Dann

knackt die Finsternis einmal leise
wie im dunklen Vorführraum
der lauernde Strom in den stummen Boxen.

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Sonntag, 15. November 2015
Dreihundertneunzehn (Sturm)

Wo eben noch Atem
war, keuchen jetzt die Speichelfäden
wie feuchte Papierdrachen

Die Blicke treiben im Orkan
davon, als wären sie Seifenblasen, darin
die Hügel für einen Moment schillern
ehe sie zerplatzen

Eine Scheuche läuft gegen die Luft, erstarrt
inmitten des Ackers, die Arme
emporgerissen wie ein rufendes Kind

Zu spät: die Kirchtürme.
Der Sturm holt sich die Beute, die er im Vorjahr
unter pfeifenden Steinen vergrub

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Samstag, 14. November 2015
Dreihundertachtzehn (Laub)

Laub fällt
zu Laub

Legt eine neue
zu zehntausend Farben Braun

Fügt eine weitere
zu den vorhandenen Arten der Stille

Verschiebt das Schweigen
um den winzigen Betrag
eines tieferen Schweigens

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Freitag, 13. November 2015
Dreihundertsiebzehn (Warten)

Schon das Weite gesucht: die Kraniche.
Jetzt warten sie in einer Tasche
des Horizonts, Schwinge an Schwinge
eng gedrängt.

Himmel zwängt sich in die
Schallschlitze der Kirchtürme,
sucht sich ein Plätzchen
neben den Glocken

Wer von den Steinen sich
nicht rechtzeitig eingegraben
hat, wendet den gekrümmten
Rücken gegen den drohenden Orkan.

Die Bilder springen aus dem Fluß.
Solange der Wind nicht
kommt, spielen die Ströme noch draußen.

Die Baumkronen beben wie
Batterien, in denen die Stürme
aufgerollt liegen, bereit zur Entladung
auf den Strecken des Felds

Laub liegt ruhig wie Meßfühler
Hecken haben den Schlüssel
zu den gesperrten Bezirken
der Luft

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Donnerstag, 12. November 2015
Dreihundertsechzehn (Schlaf)

die gedanken drehen sich
nochmal auf die andere seite

lassen den stern
aus den händen fallen

decken sich zu mit stirn

der horizont reitet
auf bäumen davon

und der mond versiegelt
alles dunkel
in lidertaschen.

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Mittwoch, 11. November 2015
Dreihundertfünfzehn (K.)

Dein Angesicht hat Falten wie der Mohn,
darin dein Auge leuchtet wie mit Matten.
Du bist wie eines stillen Gartens Schatten
und Licht. Du öffnest Hände voller Lohn,

die allem, was nur blüht, zum Blühen reichen.
Dein Schritt ist fest und bringt den Pfad zum Brot.
An deiner Wange kommt die Nacht ins Lot,
wenn du den müden Gliedern bietest Zeichen.

Du kommst nach Hause, wenn das Licht schon spröde.
Die Hand voll Kräuter, tritts du ein ins öde
Gehäus, wo sich die Lampen nach dir wenden.

Und wie du schaust, kenn ich der Herbste Amt.
Mild glänzt die Stirn und wie aus müdem Samt,
so müde wie das Kraut in deinen Händen.

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Dienstag, 10. November 2015
Dreihundertvierzehn (Spaziergang mit Pferden)

Die Ferne trinkt aus meinen müden Augen.
Ich bin den späten Weg zu früh gegangen.
Die Wolke bricht die Stirn wie süße Laugen.

Wo wäre hier ein Wort noch abzufangen?
Ich weiß nicht, was dem Schritt Gedanken taugen.
Die Pferdeaugen halten still vor Stangen.

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Montag, 9. November 2015
Dreihundertdreizehn (Schloßpark)

Die Wärme liegt im Tal, gerollt zu Würsten.
Das Mooshaar fliegt. Die blanken Steine dürsten
nach Nachtgezüngel. Gelbes kräht. Am wirrsten
trügt Farbe in den aufgequollnen Büchern.

Du gehst und meinst, die Erde kaum zu schützen.
Das Alte wird noch äter. Unter Mützen
verspinnt das Haar den Traum zu milden Grützen.
Wie Würmer ruhen Hände unter Tüchern.

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Kommentare
Über Straßenbahnfahrten schreiben kann
auch nicht jeder ... (Das heißt. Könnte auch Bus sein.)
Lakritze, vor 9 Jahren
;)
wilhelm peter, vor 9 Jahren
April, April.
Lakritze, vor 9 Jahren
wer weiss
erkennt kalendarische kontexte
wilhelm peter, vor 9 Jahren
Ah, stimmt. Da war
noch eins.
Solminore, vor 9 Jahren
Oh, mehr Baugrubenverse! Schön,
Ihre Distichen.
Lakritze, vor 9 Jahren
grosse gefühle tief gegründet Aus
dem stillen Raume Aus der Erde Grund Hebt sicht wie...
wilhelm peter, vor 9 Jahren
Lesezeichen. Baugrubenlyrik kannte
ich nicht. Mag ich.
Lakritze, vor 9 Jahren
das ist sehr sehr
schön.
don papp, vor 10 Jahren

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